9 Tipps zur Vermeidung einer Scheinselbstständigkeit in der IT
Seitdem es Honorarärzte gibt, wurde die juristische Diskussion über die arbeits- und sozialrechtliche Einordnung von Freiberuflern erneut entfacht – so auch bei IT-Freelancern.
Honorarärzte sind wie IT-Freiberufler als selbstständige Unternehmer auf eigene Rechnung gegen Honorar tätig. Dabei geht es in erster Linie um die Frage: Ist die ausgeführte Tätigkeit eine selbstständige Tätigkeit oder handelt es sich dabei um eine abhängige Beschäftigung?
Wer entscheidet das?
Hierzulande liegt die Entscheidung über eine Art der Beschäftigung nicht nur bei den Vertragspartnern – also Auftraggeber und IT-Spezialist – sondern wird auch durch die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) in Form von Betriebsprüfungen und Statusfeststellungsverfahren überprüft und festgelegt. Diese Prüfungen nehmen besonders in der IT-Branche immer weiter zu. Die Formulierung einer ausdrücklichen selbstständigen Tätigkeit in Standardverträgen schafft jedoch keine Rechtssicherheit, sondern wird im Zweifelfall eher als Vorsatz ausgelegt.
Die Folgen, Rechtsmittel und der juristische Hintergrund
Sobald eine Scheinselbstständigkeit durch die DRV Bund festgestellt wird, besteht rückwirkend die volle Versicherungspflicht. Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer sind dann zu Nachzahlungen der Beiträge der gesetzlichen Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Kranken- bzw. Pflegeversicherung verpflichtet.
Einschränkung: Der Arbeitnehmer kann jedoch nur bis zu drei Monate rückwirkend belangt werden. Der Arbeitgeber hingegen muss möglicherweise die Kosten der vergangenen vier Jahre nachzahlen. Der Scheinselbstständige hat ab diesem Zeitpunkt alle Rechte eines angestellten Arbeitnehmers: Kündigungsschutz, Urlaubsanspruch und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Das Honorar beträgt die Höhe des bisherigen Nettogehalts. Wie Sie eine Scheinselbstständigkeit vorbeugen, haben wir in diesem Artikel zusammengefasst.
Einspruch einlegen ist meist aussichtslos
Eine Klage vor dem Sozialgericht gegen den Bescheid der DRV Bund ist meist langwierig und hat in der Regel nur eine sehr geringe Aussicht auf Erfolg. Der Einspruch bedeutet also nicht zwingend einen Aufschub von Zahlungen. Aus diesem Grund sollten grundlegende Rechte und Pflichten im Voraus beachtet werden, um eine solche Situation zu vermeiden.
Die Rechtslage
Bis zum 01.01.2003 gab es im Sozialgesetzbuch (SGB) einen sehr klaren Kriterienkatalog, ob eine Tätigkeit einer selbstständigen Berufsausübung oder einer abhängigen Beschäftigung entsprach. Zum 01.01.2003 wurde der Kriterienkatalog allerding vollständig abgeschafft. Es verblieb die Regelung des § 7 Abs. 1 SGB IV, nach der eine (abhängige) Beschäftigung im Sinne des § 7 SGB IV vorliegt, wenn eine nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis, ausgeübt wird. In § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV werden dazu nunmehr Anhaltspunkte genannt:
„Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.“
Weiter heißt es in § 7 a Abs. 2 (SGB IV): „Die Deutsche Rentenversicherung Bund entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung vorliegt.“ Das Problem: Die Formulierung hat einen sehr großen Auslegungsspielraum, was zu großen Unsicherheiten führt. Eine Lösung des Problems ist nur auf Seiten der Gesetzgeber möglich, was bisher nicht erfolgte. Aus diesem Grund mussten sich bereits in der Vergangenheit viele Gerichte mit der Abgrenzung von abhängigen Beschäftigungen und selbstständigen Tätigkeiten von IT-Spezialisten beschäftigen. In der Zwischenzeit wurden ein paar wenige Kriterien für eine selbstständige Tätigkeit herausgearbeitet:- Ein eigenes Unternehmensrisiko,
- eigene Betriebsstätte,
- Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und
- im Wesentlichen freigestellte Tätigkeit und Arbeitszeit
Mögliche Fehler, die ein IT Freelancer begehen kann
Es gibt eine Vielzahl an Fehlern, die ein IT Freelancer begehen kann, um als scheinselbstständig beurteil zu werden. Hier ein Ausschnitt davon:
- Der IT-Spezialist nutzt die Arbeitsmaterialien des Auftraggebers und tritt in dessen Namen auf, z. B. mit Mailsignatur.
- Der Freiberufler nimmt an Betriebsfeiern teil.
- Der Freiberufler setzt kein eigenes Kapital ein.
- Der freiberufliche IT-Spezialist bestimmt nicht seine Einsatzzeiten, sondern diese werden ihm vom Auftraggeber vorgegeben. Er ist damit weisungsabhängig und unterliegt dem Direktionsrecht.
Learnings
Jeder IT-Spezialist sollte dafür sorgen, seine Angriffsfläche für mögliche Prüfungen gering zu halten. Wir haben hier Argumente zusammengestellt, die bereits in vergangenen Gerichtsverhandlungen für eine Selbstständigkeit genannt wurden. So können Sie sich einen Überblick verschaffen, wann eine Tätigkeit tatsächlich eine selbstständige Tätigkeit ist. Diese Argumente decken jedoch nicht den gesamten Argumentationsspielraum ab.
Haftpflichtversicherung
Sie sollten eine vollständige Haftpflichtversicherung haben und sich nach Möglichkeit nicht über den Auftraggeber versichern lassen.
„Unternehmenstypische Versicherung“
Zusätzlich sollten Sie eine „unternehmenstypische Versicherung“ vorweisen können.
Eigene Ausstattung
Sie sollten besonders beim Kunden eigene Materialien benutzen.
Extern
IT-Spezialisten sollten bei Kunden vor Ort ein Namensschild mit der Bezeichnung „extern“ tragen. So kann sich als Externer gekennzeichnet werden.
Mehrere Auftraggeber
Seien Sie in der Lage mehrere Auftraggeber nachweisen zu können. Hier gibt es jedoch keine genaue Zahl. Allerding ist nur ein Auftraggeber über lange Zeiträume eher ein Nachweis für eine abhängige Beschäftigung. Mailverkehr oder Protokolle dienen hier beispielsweise als Nachweis für ein hohes Engagement bei weiteren Jobs.
Freie Arbeitszeiten
Die Arbeitszeiten müssen Sie mit dem Kunden frei vereinbaren. Das Unternehmen darf Ihnen keine genauen Arbeitszeiten vorschreiben.
Arbeitsort
Suchen Sie sich Ihren Arbeitsort selbst aus und lassen Sie sich Ihren Arbeitsplatz nicht zuweisen.
Internetauftritt
Ein eigener Internetauftritt und Werbung sind Merkmale einer selbstständigen Tätigkeit. Wenn Sie sich nur von Agentur zu Agentur vermitteln lassen und selbst keinerlei aktive Akquise betreiben, sollten Sie hier nachbessern. Gerne unterstützen wir Sie dabei. Sprechen Sie uns einfach an.
Vertrag ist nicht alles
Ihre Tätigkeit als IT-Spezialist und ein Vertrag allein genügen nicht, wenn es um eine gerichtliche Auseinandersetzung vor dem Sozialgericht geht. Wesentlich ist, wie Sie sich vor Ort als selbständige Persönlichkeit verhalten und welche Freiräume Sie gegenüber den angestellten Mitarbeitern zugestanden bekommen.
Fazit
Die Rechtslage im Bereich von Freiberuflern ist sehr undurchsichtig. Sie können im Hinblick auf die genannten Kriterien jedoch genug dafür tun, um sich bei einer Prüfung zu bewehren. In die selbständige und professionelle Tätigkeit eines IT Spezialisten muss jedoch mehr investiert werden: Kosten für beispielsweise Versicherungen, Werbeauftritt, Büro und evtl. Angestellte sind zu tragen und müssen sich über eine entsprechende Vergütung abbilden. Unser Rat: Sparen Sie nicht an falscher Stelle! Sorgen Sie lieber für eine vernünftige Vergütung Ihrer Tätigkeit, wobei wir Sie gerne unterstützen.
Verschiedene Aspekte sprechen aus unserer Sicht allerdings eher für ein Genossenschaftsmodell, an dem wir aktiv arbeiten und für das Sie sich gerne bewerben können: [email protected]. Haben Sie Rückfragen? Dann kontaktieren Sie mich einfach – ich helfe Ihnen gerne weiter. Meine Telefonnummer ist: 0211 175403 19. Ich freue mich über den Austausch mit Ihnen.